Entscheidungslosigkeit als Strategie: Vor- und Nachteile des „Aussitzens“
Führungskräfte befinden sich oft in einem Spannungsfeld zwischen hohen Erwartungen, beruflichen Herausforderungen und den eigenen, manchmal vernachlässigten Bedürfnissen. Häufig fühlen sie sich in Entwicklungsplänen gefangen, die nicht zu ihren Stärken oder Vorstellungen passen. An einem bestimmten Punkt entscheiden sich einige dazu, einfach nichts mehr zu tun – sie setzen auf „Aussitzen“.
Doch was sind die Vor- und Nachteile dieser Strategie? Und wie können Betroffene proaktiver steuern?
1. Das „Aussitzen“ als Ausweg – was steckt dahinter?
Führungskräfte, die sich durch ein falsches Anforderungsprofil oder einen nicht passenden Entwicklungsplan unwohl fühlen, geraten oft in eine Abwärtsspirale. Frustration und Enttäuschung setzen ein, und anstatt proaktiv zu handeln, entscheiden sich einige dafür, die Situation auszusitzen. Sie legen ihre Hände in den Schoß, vermeiden Entscheidungen und hoffen, dass sich das Problem von selbst löst.
Diese Entscheidung mag zunächst als eine Form des Selbstschutzes erscheinen: Statt sich gegen das Unternehmen oder den Entwicklungsplan zu stellen, gehen Betroffene in eine „Schutzstellung“ über.
Sie vermeiden Risiken und Konflikte und warten ab, bis eine externe Lösung kommt, z. B. ein Aufhebungsvertrag oder ein Wechsel der Rolle.
2. Vorteile der Aussitz-Strategie
- Kurzfristige Stressreduktion:
Wer sich für das Aussitzen entscheidet, entzieht sich zunächst dem Druck, eine aktive Entscheidung treffen zu müssen. Die Stressbelastung kann kurzfristig abnehmen, weil der Konflikt scheinbar umgangen wird.
- Vermeidung von Fehlentscheidungen:
In einem Zustand der Unklarheit kann das Aussitzen auch eine Möglichkeit sein, eine unüberlegte oder vorschnelle Entscheidung zu vermeiden. Manche Führungskräfte denken, es sei besser abzuwarten, bis sich mehr Klarheit ergibt.
- Externe Entscheidung:
Oft folgt auf das „Aussitzen“ eine Entscheidung durch das Unternehmen. Ein Aufhebungsvertrag wird angeboten, und damit kommt eine Option auf den Tisch, die dem Betroffenen den Ausstieg erleichtert und finanzielle Kompensation bietet.
3. Nachteile des Aussitzens
- Verlust der Selbstbestimmung:
Wenn Führungskräfte die Kontrolle über ihre Situation aufgeben und darauf warten, dass andere Entscheidungen für sie treffen, verlieren sie ihre Autonomie. Die eigene Handlungsfähigkeit wird eingeschränkt, und sie werden zum Spielball äußerer Umstände.
- Karriere-Risiken:
Das Aussitzen kann den Eindruck von Untätigkeit oder mangelnder Initiative hinterlassen, was die langfristige Karriere beeinträchtigen kann. Ein Manager, der Entscheidungen vermeidet, läuft Gefahr, als „problematisch“ oder „passiv“ wahrgenommen zu werden.
- Emotionale Erschöpfung:
Das ständige Warten auf eine Veränderung, ohne aktiv handeln zu können, kann zu Erschöpfung und Frustration führen. Die betroffene Person fühlt sich gefangen und zunehmend unwohl in ihrer Rolle.
4. Wie Betroffene proaktiver steuern können
Statt zu warten, bis andere Entscheidungen treffen, können Führungskräfte selbst aktiv werden und die Situation in die eigene Hand nehmen:
- Reflexion und Selbstklärung:
Der erste Schritt ist, sich darüber klar zu werden, was man wirklich will. Viele Führungskräfte haben im Laufe ihrer Karriere verlernt, eigene Wünsche zu formulieren, weil sie sich stets an den Erwartungen des Unternehmens oder anderer orientiert haben. Ein Coach oder Berater kann hier helfen, die eigenen Bedürfnisse und Ziele wieder zu entdecken.
- Offene Kommunikation:
Anstatt passiv abzuwarten, sollten Betroffene aktiv das Gespräch mit ihren Vorgesetzten suchen. Ein ehrliches Feedback über die Unzufriedenheit mit dem Entwicklungsplan oder der Rolle kann Raum für Veränderungen und Anpassungen schaffen.
- Alternativen entwickeln:
Proaktiv Alternativen zu entwickeln, anstatt sich in einer Opferrolle zu sehen, kann helfen, aus der Passivität auszubrechen. Dazu gehören Überlegungen wie eine Umschulung, eine neue Position innerhalb des Unternehmens oder sogar ein Wechsel in eine andere Branche.
- Grenzen setzen:
Viele Führungskräfte sind darauf programmiert, immer zu gefallen und Erwartungen zu erfüllen, oft bis zur Erschöpfung. Hier kann es hilfreich sein, klare Grenzen zu setzen und darauf zu achten, sich selbst nicht zu überfordern. Dies bedeutet auch, „Nein“ zu sagen und nicht immer zu versuchen, es jedem recht zu machen.
5. Warum viele Führungskräfte keine eigenen Wünsche mehr haben
Eine zentrale Ursache für das Aussitzen und die Vermeidung von Entscheidungen liegt in der inneren Haltung vieler Führungskräfte. Sie sind es gewohnt, sich an äußeren Maßstäben zu orientieren und den Erfolg über die Zustimmung und Anerkennung anderer zu definieren.
Über Jahre hinweg haben sie möglicherweise verlernt, eigene Wünsche zu haben und umzusetzen, weil sie sich darauf konzentriert haben, Erwartungen zu erfüllen.
Frühe Anzeichen:
- Ein Gefühl der inneren Leere und Orientierungslosigkeit, wenn es um eigene Ziele geht.
- Ständige Anpassung an Erwartungen, ohne die eigenen Vorstellungen zu hinterfragen.
- Ein permanentes Gefühl, nicht genug zu leisten, egal wie erfolgreich man ist.
Fazit
Das Aussitzen von Entscheidungen kann eine kurzfristige Strategie sein, um Druck abzubauen, birgt aber erhebliche Risiken und führt oft zu einem Verlust der Selbstbestimmung. Wer sich im Beruf immer wieder in solchen Situationen wiederfindet, sollte sich fragen, ob er die eigenen Bedürfnisse und Wünsche wirklich kennt und umsetzt.
Mit einer proaktiven Herangehensweise, offener Kommunikation und der Bereitschaft, sich selbst zu reflektieren und gegebenenfalls auch Hilfe in Anspruch zu nehmen, können Führungskräfte die Kontrolle zurückgewinnen und ihre Karriere sowie ihr Leben aktiver und erfüllender gestalten.